Behinderte Kinder: Kommunen dürfen das Kindergeld nicht ohne weiteres anzapfen
Städte und Gemeinden dürfen nicht ohne weiteres das Kindergeld für den behinderten Nachwuchs ihrer Bürger beanspruchen, wenn das Kind mit seinen Eltern unter einem Dach lebt. Das Finanzgericht Münster tritt in einer Grundsatzentscheidung dem Vorgehen vieler Kommunen entgegen, das Kindergeld als Ausgleich für eigene Grundsicherungsleistungen einzufordern.
Entscheidend ist zunächst einmal, wie viel die Eltern zum Unterhalt beitragen und wie hoch der konkrete Bedarf des behinderten Kindes ist. Reichen Pflegegeld, Grundsicherung und Einkommen des Kindes zusammen nicht aus, um seinen Bedarf zu decken, ist davon auszugehen, dass die Eltern den Rest zahlen. Übersteigt dieser familiäre Beitrag das Kindergeld, haben Väter und Mütter insoweit auch das Recht auf dessen Auszahlung, betonten die Richter. Insoweit ist diese Entscheidung für Betroffene eine wichtige Orientierungshilfe.
Nachfolgend vier Punkte aus dem Urteil, die für Eltern mit behinderten Kindern, die in ihrem Haushalt leben, interessant sind:
- Der Lebensbedarf behinderter Kinder, die im Haushalt ihrer Eltern leben, ist dem Kindeseinkommen gegenüberzustellen. Ergibt sich hierbei eine Deckungslücke, gilt die Vermutung, dass die Eltern diese auffüllen.
- Berücksichtigt werden nur die Aufwendungen, die den Eltern im Zusammenhang mit der Betreuung und dem Umgang mit dem Kind tatsächlich entstanden und glaubhaft gemacht worden sind. Das können Kosten für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege, für Bekleidung, Hausrat, Freizeit oder Urlaub sein. Diese sind generell zu beziffern; gegebenenfalls kommt eine Schätzung in Betracht.
- Bei der zeitlichen Zurechnung ist grundsätzlich nach dem Monatsprinzip zu verfahren. Fallen Aufwendungen allerdings nur gelegentlich an (z.B. Ersatzbeschaffungen für Einrichtungsgegenstände, Hausrat, die behindertengerechte Umrüstung eines Pkw), sind diese entweder gleichmäßig aufs Jahr oder - bei größerem zeitlichen Abstand - auf mehrere Kalenderjahre zu verteilen. Als Kriterium gilt hierbei eine vorausschauende Bedarfsplanung für einen angemessenen Zeitraum.
- Wollen Eltern einen Betreuungs- und Pflegeaufwand geltend machen, der über dem Pflegegeld liegt, müssen sie diesen konkret darlegen, um ein Abzweigen des Kindergeldes an die Kommune zu verhindern.
Hinweis: Der Bundesfinanzhof hat sich in der Vergangenheit zwar schon mehrmals zum Thema Kindergeld bei behindertem Nachwuchs geäußert. Dabei ging es jedoch stets um Kinder, die in einer Pflegeeinrichtung leben. Zu Fällen behinderter Kinder, die bei ihren Eltern wohnen, sind in den kommenden Monaten noch weitere Urteile zu erwarten. Denn vor den Finanzgerichten sind zahlreiche Verfahren zu der Frage anhängig , inwieweit Kommunen Ansprüche geltend machen können.